Die Bereitstellung von öffentlichem Verkehr ist Teil der Daseinsvorsorge
In der Raum- und Siedlungsentwicklung nehmen die öffentlichen Erreichbarkeitsverhältnisse eine zentrale Rolle ein. Deren Bereitstellung und Entwicklung ist ein wesentliches Element der Daseinsvorsorge und somit eine öffentliche Aufgabe, die sich der Bund, die Länder und Gemeinden teilen. Die am Standort verfügbaren Verkehrsmittel, im Wesentlichen sind das Bahn und Bus, deren Qualität, also die Entfernung zu den Haltestellen und die Taktung, sind per Definition von größter Bedeutung für die Verbraucher:innen, also für die Bevölkerung, die die Angebote nachfragt. Eine hohe Erschließungsqualität erleichtert etwa das Ein- und Auspendeln, vereinfacht den Zugang zu Schul- und Bildungseinrichtungen oder sichert die Versorgung mit medizinischen Diensten etc. Diese Parameter sind die wesentlichen Faktoren für die ÖV-Gütekassen in den Regionen Österreichs, es werden die Bedienungsqualität von Haltestellen sowie deren fußläufigen Erreichbarkeit erfasst. Unterschiedliche Qualitäten spiegeln sich in diesem österreichweiten Stufensystem wider. Das System der ÖV-Güteklassensystem ist eine wesentliche Grundlage in zahlreichen Planungsprozessen, etwa in der Erstellung von Raumentwicklungskonzepten oder in der Bewertung von Flächen bzw. Bauland sowie in der Siedlungsentwicklung.
Darüber hinaus ermöglicht eine Verknüpfung der Informationen der ÖV-Güterklassen mit demografischen Kennzahlen eine Abschätzung von derzeitigen und künftigen Nachfragepotentialen. So können beispielsweise dynamische urbane Agglomerationen gezielt in ihrem Wachstumsprozess begleitet werden. Gleichzeitig wird es aufgrund des fortschreitenden demografischen Wandels, der insbesondere periphere Regionen stark trifft, zunehmend wichtiger, die Erschließung des öffentlichen Verkehrs auch im ländlichen Raum voranzutreiben, um Abwanderung entgegenzuwirken und die Regionen für Zuwanderung attraktiver gestalten zu können.
Die Basis für die ÖV-Güteklassen bildet eine Klassifizierung der Haltestellen, unterschieden wird nach Verkehrsmittel- und Haltestellenkategorien, Intervall- und Distanzklassen. Die jeweilige ÖV-Güteklasse entspricht den Anforderungen von urbanen Räumen und ländlichen Regionen und spiegelt die regionalen unterschiedlichen Qualitäten in der Ausstattung mit öffentlichem Verkehr wider.
Die Güteklasse A steht für die höchstrangige ÖV-Erschließung in einem städtischen Raum, sie ist gekennzeichnet durch ein dichtes Netz, hohe Taktdichten und einer Verfügbarkeit von mehreren unterschiedlichen Verkehrsmitteln. Es folgt Klasse B, mit einer hochrangigen Erschließung, wiederum in einem urbanen Umfeld. Die Buchstaben C und D beschreiben eine sehr gute bzw. eine gute Erschließung in städtisch/ländlichen Übergangsbereichen mit ÖV-Achsen oder ÖV-Knoten. Für den ländlichen Bereich wurden drei Klassen definiert, die Güteklasse E und F (sehr gute und gute Basiserschließung) sowie die niedrigste Klasse G, diese steht für eine Basiserschließung. Anzumerken ist, dass bei der Interpretation der Güteklassen bedacht werden muss, dass eine höhere Güteklasse grundsätzlich nicht immer besser sein muss. In einem nur dünn besiedelten ländlichen Raum kann eine niedrige Güteklasse durchaus zweckmäßig sein – in einer urbanen Agglomeration jedoch keinesfalls.
In den Karten selbst werden immer kumulierte Daten dargestellt, d.h. die Werte beschreiben die Anteile der Bevölkerung in der jeweiligen ÖV-Güteklasse inklusive aller darüber liegenden und können daher als Mindesterschließungen interpretiert werden.
Die Ergebnisse zeigen, dass ein großer Teil der österreichischen Bevölkerung zumindest ein Basisangebot des ÖV erreicht
Eine Verknüpfung der Güteklassen mit Bevölkerungsdaten verdeutlicht, dass von 87% der österreichischen Bevölkerung zumindest ein Basisangebot an öffentlichem Verkehr erreicht werden kann.
Die Versorgungsqualität mit öffentlichem Verkehr ist, wenig überraschend, in Wien am besten, mehr als die Hälfe der in Wien wohnhaften Personen lebt in einem Gebiet mit der höchsten Güteklasse (A). Es folgt Vorarlberg, hier wurde in den vergangenen Jahrzehnten stark in den Ausbau des öffentlichen Verkehrs investiert, entsprechend gering ist der Anteil an Personen in Regionen der niedrigsten Güteklassen.
Die Steiermark, Kärnten und Oberösterreich weisen vergleichsweise hohe Anteile an Wohnbevölkerung auf, die nicht mit dem öffentlichen Verkehr erschlossen sind (keine ÖV-Güteklasse). Dies ist letztlich auf die zum Teil dispersen Siedlungsstrukturen in Teilen dieser Bundesländer zurückzuführen – eine flächendeckende Erschließung ist schlicht zu teuer. Die höherrangigen Güteklassen (A–C: das entspricht etwa Fernverkehr/REX, S-Bahn, Schnellbusse, Straßenbahnen u.ä.) konzentrieren sich im Wesentlichen auf Städte und ihr Umfeld, also auf urbane Agglomerationen.
Neben dem hohen Anteil hochrangiger Versorgungsinfrastruktur in Wien weisen auch andere Landeshauptstädte wie Linz, Innsbruck, Salzburg und Graz eine sehr hohe ÖV-Erschließung auf. Eisenstadt, Klagenfurt und St. Pölten zeigen im Vergleich dazu niedrigere Werte. Rund um Stadtgebiete sind die sternförmig verlaufenden Zubringer der hochrangigen Infrastruktur deutlich zu erkennen. Besonders im Wiener Umland, im Umfeld größerer Städte sowie im Rheintal, im Tiroler Inntal und entlang der Weststrecke zwischen Salzburg, Linz und Wien zeigt sich eine verhältnismäßig gute Erschließung. Der Ausbau öffentlicher Infrastruktur wird klar von Ballungsräumen und deren dynamischem Bevölkerungswachstum getrieben, hier wächst die Nachfrage am stärksten. Eine niedrige ÖV-Erschließungsqualität findet sich vor allem in strukturschwachen und von Abwanderung geprägten Regionen, insbesondere in Teilen der Steiermark und Kärntens, im Inn- und Waldviertel sowie im Südburgenland.
In der folgenden Grafik können die verschiedenen Güteklassen zur Darstellung ausgewählt werden.
Für eine tiefgehende Raum- und Verkehrsplanung sind tiefergehende Analysen bzw. ein genauerer Blick auf die Daten nötig. Hier wird beispielsweise auf das Klimadashboard verweisen, wo die Daten der ÖV-Güteklassen zu einer sehr anschaulichen und nutzerfreundlichen Visualisierung zusammengefasst sind. Weiter zum Klimadashboard
Für die Informationen der ÖV-Güteklassen gibt es eine breite Palette an Anwendungsbeispielen
Das System der ÖV-Güteklassen dient als vielseitiges Werkzeug zur Analyse, Planung und Bewertung von Erreichbarkeiten durch den öffentlichen Verkehr. Es ermöglicht die Darstellung von ÖV-Erschließungsqualitäten, zudem können die Informationen der ÖV-Güteklassen mit weiteren Daten kombiniert werden, so können beispielsweise räumliche Strukturen erfasst und Entscheidungsfindungsprozesse in der Raumplanung, der Flächenwidmung und der Siedlungsentwicklung objektiviert werden. Beispielsweise können Gebiete mit hohem Nachfragepotenzial, aber geringer Erschließungsqualität identifiziert werden. Darüber hinaus können ÖV-Güteklassen mit Infrastrukturabgaben verknüpft oder zur Beurteilung der Eignung von Gebieten für bestimmte Nutzungen und Bebauungsdichten herangezogen werden.
In der praxisorientierten Anwendung haben sich die ÖV-Güteklassen als Planungsinstrument etabliert. Im Burgenland dienen sie etwa als Grundlage für die Erstellung der örtlichen Entwicklungskonzepte (ÖEK) der Gemeinden. Damit können neue Siedlungsgebiete gezielt nach ihrer ÖV-Erschließung bewertet und gegebenenfalls Verbesserungen wie neue Linienführungen oder Haltestellen geplant werden. In Oberösterreich werden sie in der Energieraumplanung eingesetzt, um Standorträume mit guter Erreichbarkeit durch den Umweltverbund zu identifizieren. In der Steiermark und in Wien fließen sie in die Mobilitätsplanung und die Evaluierung von Infrastrukturmaßnahmen – etwa bei Bus, U-Bahn- oder Straßenbahnerweiterungen – ein.
Die ÖV-Güteklassen werden zudem in Studien und Förderverfahren genutzt, um die Siedlungsentwicklung und regionale Ausstattung zu bewerten. Dabei helfen sie, jene Gebiete zu identifizieren, die unterversorgt sind, und liefern damit eine wichtige Grundlage für die gezielte Förderung von Projekten im Bereich des öffentlichen Verkehrs und der nachhaltigen Raumentwicklung.
Datenquelle und Methodik
Dieser Indikator wurde im November 2025 erstellt. Die ÖV-Güteklassen wurden mit November 2024 veröffentlicht. Die Bevölkerung (Hauptwohnsitze; Mittelpunkt) wird mit den ÖV-Güteklassen (Rasterdaten) und den politischen Grenzen verschnitten (jeweils Stand 2024).
Die vorliegenden Daten wurden von der AustriaTech GmbH aus dem ÖV-Güteklassen-Modell des Bundesministerium für Innovation, Mobilität und Infrastruktur (BMIMI) berechnet. Das ÖV-Güteklassensystem berücksichtigt nur den fußläufigen Einzugsbereich von Haltestellen. Bike & Ride, Park & Ride, Mikro-ÖV und Anrufsammeltaxis werden nicht abgebildet.
ÖV-Güteklassen koppeln die Bedienungsqualität von Haltestellen mit deren fußläufigen Erreichbarkeiten. Damit bieten ÖV-Güteklassen Informationen über die ÖV-Erschließungsqualität von Gebieten und Standorten. Sie sind somit nicht als gut oder schlecht bewertbar, sondern immer im Kontext der räumlichen Struktur zu betrachten.
Die Ermittlung der ÖV-Güteklassen basiert auf der Analyse von Haltestellen und deren Erreichbarkeit. Bewertet werden Intervalle der Abfahrten und der Haltestellentyp. Aus der Kombination dieser Faktoren entstehen acht Haltestellenkategorien (I–VIII). Anschließend wird geprüft, wie weit die Bevölkerung von diesen Haltestellen entfernt wohnt. Daraus ergeben sich sieben ÖV-Güteklassen, die die Erschließungsqualität eines Gebiets widerspiegeln.
Klassifizierung der Haltestellen
Die Festlegung der Haltestellenkategorien erfolgte anhand von zwei Kriterien: (i) den Intervallen der Abfahrten an einer Haltestelle, (ii) den Haltestellentypen. Die Haltestellentypen werden aus den an der Haltestelle haltenden Verkehrsmittelkategorien abgeleitet. Dabei bestimmt die Verkehrsmittelkategorie der höchsten Hierarchiestufe den Haltestellentyp.
Insgesamt wurden acht Haltestellenkategorien eingeführt, die die Qualitätsunterschiede der Haltestellen nach Intervall und höchster Verkehrsmittelkategorie, differenziert nach städtischem und ländlichem Bereich beschreiben.
1) entspricht dem Angebotsmindeststandard von 4 Abfahrten/Richtung
Zuordnung der ÖV-Güteklassen zu Haltestellenkategorien und Distanzklassen
Die Ermittlung der ÖV-Güteklassen erfolgt in zwei Schritten: (i) Festlegung von Entfernungsklassen für den Fußweg zur Haltestelle, (ii) Zuordnung der Haltestellenkategorien zu den Fußwegedistanzklassen als ÖV-Güteklasse.
Die Ermittlung der Fußwegedistanzen erfolgte auf Basis der Graphenintegrations-Plattform-Daten (GIP-Daten) als Realdistanzen. Höhenunterschiede bzw. Steigungen wurden nicht berücksichtigt.
Qualitativ und räumlich können die Güteklassen wie folgt beschrieben werden:
| Güteklasse | Beschreibung | Räumliche Zuordnung |
| A | Höchstrangige ÖV-Erschließung | Städtisch |
| B | Hochrangige ÖV-Erschließung | Städtisch |
| C | Sehr gute ÖV-Erschließung | Städtisch/ländlich, ÖV-Achsen/Knoten |
| D | Gute ÖV-Erschließung | Städtisch/ländlich, ÖV-Achsen/Knoten |
| E | Sehr gute Basiserschließung | Ländlich |
| F | Gute Basiserschließung | Ländlich |
| G | Basiserschließung | Ländlich |